Widerstand = zwecklos oder Löcher hinein denken



von Franz Rüdisser


Die Winterausstellung <Widerstand = zwecklos> im Kunstforum Montafon mit den Installationen von Judith Fegerl und Thomas Feuerstein hat die große Aufmerksamkeit, die ihr galt, verdient. Ermöglichte sie doch erstmals - zumindest im Tal - eine Auseinandersetzung am Objekt über eine noch recht neue Kunstrichtung.

 

<Biokunst> versteht sich als künstlerische Gestaltungsmöglichkeit, aber auch als Thema. Die Algenproduktion in der "Mannamaschine" von Thomas Feuerstein macht lebende Organismen zum Material. Gleichzeitig stellt diese durchaus malerische Installation wichtige Fragen. Sie IST Kunst und sie IST Wissenschaft. Mit Kindern haben wir am deutlichsten erlebt, wie das Kunstobjekt zum Fabulieren verführt, Fantasien blühen lässt. Erwachsene, die sich einließen, konnten ihr ökologisches Bewusstsein schärfen.

Nicht nur auf ganz zentrale Fragen weist diese Biokunst hin, sie bietet in Problembereichen, von denen unserer Zukunft abhängt, auch Lösungsansätze. Wenn man weiß, dass der schwedische Energieriese Vattenfall Anlagen baut, in denen Algen die CO2-Abgase von Kohlenkraftwerken "auffressen", die damit Gemästeten weiter zu Lebens- oder Futtermitteln, zu Kunststoffen und Biotreibstoffen umgewandelt werden können - dann wird Feuerstein´s Objekt zur Vision. Eine Energieproduktion mit Algen ist überall möglich, auch in Wüsten, schreibt Christoph Chorherr in seinem neuen Buch. Grünalgen als  biblisches Manna, als "Brot, das vom Himmel fällt". Bald Realität?

 

Dass die poetische Installation von Judith Fegerl Anlass zur Aufregung gab, ist eine schöne, eine nette Paradoxie. Die Litz und das kleine Litzkraftwerk hatten die Künstlerin zu ihrer Installation <Reflux>  inspiriert. Für ihr in den Ausstellungsraum hineingebautes Objekt wird aus dem Bach eine symbolische Menge Wasser gesaugt. Dieses Wasser hat, so sieht sie es,  im Dienste des Menschen gearbeitet, elektrischen Strom erzeugt. Nun wird es in einer Wanne mit ebendiesem Strom erwärmt. Das Maß ist die menschliche Körperwärme. Das Wasser kehrt erholt zurück in seinen Bach.

 

Hätte ihn aber gar nicht verlassen dürfen! Nur mit Erlaubnis der Behörde darf Wasser aus dem Bach gesaugt werden. Auch für kleinste Mengen muss angesucht werden. Eine Bagatellgrenze ist im Gesetz nicht vorgesehen. Das wusste die Künstlerin nicht. Das wusste auch der Kurator nicht. Andere wussten es. Bemühten das Staatsgrundgesetz, verlangten eine "einstweilige Unterlassung". Dass genau jenes Kunstobjekt, das mit Behutsamkeit die Fragen stellt, ob sich der Mensch die Natur zum Untertanen machen darf, ob der Zweck jedes Mittel rechtfertigt, nun den symbolischen Mund halten sollte -  das ist Paradoxie. Der Kunst schadet das nicht. Im Gegenteil.  "Kunst darf, Kunst muss irritieren", sagt Peter Noever, der frühere Leiter des MAK. Fügt hinzu: "Es gilt sich einzulassen, willentlich irritieren zu lassen." Schade, dass jene, die nach der Behörde riefen, die Einladung in den Kunstraum nicht angenommen haben. Wären spannende Gespräche geworden, nach denen man vielleicht mit des Künstlers vorzüglichem Algenschnaps - die Besucher der Vernissage konnten kosten - angestoßen hätte.

 

Faszinierend, wie Kinder die Ausstellung aufgenommen haben. Viele COOL und WOW beim ersten Eindruck sind zu hören. Wie dann Mädchen und Buben zu Forschern werden und in diesem "wunderlichen Labor" "Löcher hinein denken". Aber nicht nur die jungen Wissenschafter sind beeindruckt, auch der Philosoph, der Poet im Kind fühlt sich angesprochen. Da wird das Zentrum der Mannamaschine zum Götzen oder zum "Herrn der Ringe" der den "Luftblasenverkehr" in der "froschhautfarbenen  Bildschnur" steuert.

 

Wenn dann noch die ganze Schar bei Judith Fegerl´s Objekt selbst zu Wasser wird - zu müdem und abgearbeiteten, zu wohlig sich erholendem, zu frisch und munter in den Bach zurückkehrendem - dann ist das Sich-Einlassen gelungen. Wie hat ein weiser Volksschüler einmal gemeint: Kunst ist für mich, wenn man Fantasie in die Wirklichkeit umsetzt. Und umgekehrt.

 

Franz Rüdisser, veröffentlicht in "Aus Schruns", Nr 1/März/2012