Ausstellung
13. Juni - 15. Juli 2006 EVA WAGNER (Malerei) - KLAUS MOSETTIG (Zeichnung)
Weiblich, malerisch versus männlich, zeichnerisch. Die Sommerausstellung im Kunstforum Montafon zeigt mit Eva Wagner und Klaus Mosettig zwei österreichische Künstler.
Vertreter einer jüngeren Generation österreichischer Kunst sind sie beide.
Preisträger auch. Während Eva Wagner, Anton Faistauer-Preisträgerin 2005,
eine malerische Position vertritt, steht Klaus Mosettig, 2005 mit dem 1.
Walter Koschatzky Preis ausgezeichnet, für ein zeichnerisches Werk.
Kuratiert von Roland Haas stellt die Sommerausstellung im Kunstforum
Montafon in Schruns mit Eva Wagner und Klaus Mosettig zwei eigenständige
Positionen zeitgenössischer österreichischer Kunst gegenüber.
Fotografische Bildvorlagen
Den Ausgangspunkt für das bildnerische Schaffen von Eva Wagner (geboren 1967
in Salzburg) stellt die Fotografie. Dass diese den meist grossformatigen
Tafelbildern auf Leinwand vorausgeht und mit veritabler Malerei in eine
künstlerische Ausdrucksform mündet, die eigentlich eine entgegengesetzte
mediale Realität verkörpert, gehört mit zu den Paradoxa, die sich in der
Kunst von Eva Wagner leichtfüssig auflösen. Ausgehend vom Katalysator
Fotografie setzt die Künstlerin den Gegenstand in sensibler Weise,
zeichnerisch dicht und mit gestisch gesetzten, malerischen Elementen
verknüpft, auf die Leinwand. Dabei spielt der Malvorgang an sich eine
bedeutsame Rolle, wenn sich unterschiedliche Schichten übereinander legen
und eine feine, atmosphärische Räumlichkeit aufbauen. Die bildet den
Schauplatz einer Handlung, die unaufgeregt spektakulär mit Szenen des
Alltags jongliert. Fotografien, flüchtige Schnappschüsse, aufgenommen in den
fernen, häufig nordafrikanischen Ländern, die die Künstlerin im Rahmen von
Arbeitsaufenthalten besucht, werden zu Bildvorlagen. Die Darstellung von
Realität ist jedoch zu keinem Zeitpunkt das Anliegen der Künstlerin.
Vielmehr tauchen die fotografisch gewonnenen Figuren und Szenen im Prozess
einer malerisch-zeichnerischen Bild(auf)lösung zwischen den Schatten und
Schleiern, die sich in vielen vibrierenden Schichten von Farbe und Linie
über die Oberfläche legen, schemenhaft aus der Bildtiefe auf. Der
narrativ-figurative Bezug ist da, verwischt sich aber in der für die Malerei
von Eva Wagner charakteristischen Symbiose von benennbarer
Gegenständlichkeit und prozessualer Abstraktion. Wenn die Künstlerin
Rinnsale von verdünnter Farbe über den Bildträger fliessen lässt, feine
Verästelungen von Farbe über die Oberfläche lenkt, indem sie die Schwerkraft
für sich arbeiten lässt, dann reiht sich Eva Wagner in eine Tradition ein,
die über Künstler wie Jackson Pollock oder Sigmar Polke bis in die Gegenwart
der Malerei reicht. Wie selbstverständlich bedient sich Eva Wagner dieser
Gestaltungsmittel, führt sie jedoch eigenständig weiter, indem sie ihren
Beitrag durch Elemente des Gegenständlichen anreichert. Im Kunstforum
Montafon zeigt Eva Wagner grossformatige Malereien in Acryl sowie eine Reihe
von Zeichnungen aus der Serie „en passant“. Entgegen dem Titel entschlüsselt
sich jedoch nichts im Vorbeigehen. Zwischen Anwesenheit und Verschwinden,
zwischen Wirklichkeit und dem Verhaftet-Sein in der Malerei, zwischen
zeichnerischen Setzungen und lasierenden Farbspuren fordern die Arbeiten in
ihrer Tiefe und Vielschichtigkeit vielmehr Nähe und Aufmerksamkeit vom
Betrachter ein.
Kuhfladen und Wespennester
Eine spannende Konstellation verspricht die Gegenüberstellung von Eva
Wagners Werken mit den Zeichnungen von Klaus Mosettig. 1975 in Graz geboren,
in Wien lebend und arbeitend ist der Künstler mit seinem eigenwilligen Werk,
das sich schwer zuordnen oder gar kategorisieren lässt, derzeit gerade in
der Neuen Galerie Graz zu Gast. In der Grazer Schau agiert Klaus Mosettig,
als Absolvent der Bildhauerklasse von Bruno Gironcoli, mit Material und
einem Skulpturbegriff, der sich über die Zeit definiert. Diesen Aspekt des
Schaffens scheint die Ausstellung im Kunstforum Montafon jedoch komplett
auszuklammern, wenn sich die Werkauswahl in der ehemaligen Schrunser
Lodenfabrik stattdessen auf eine Reihe grossformatiger Zeichnungen auf
Papier konzentriert. Widerlegt wird das Denken und die Einteilung in die
unterschiedlichen Medien Zeichnung und Bildhauerei jedoch von der Biografie
des Künstlers selbst. Dieser war seinerzeit mit 199 A5-Zeichnungen zur
Aufnahmeprüfung bei einem fuchsteufelswilden Gironcoli erschienen, der an
einer Bildhauerschule Dreidimensionales einforderte. Mosettig, der seinen
Block Zeichnungen auch als Skulptur verstanden hat, wurde schliesslich
trotzdem an der Akademie aufgenommen.
Kuhfladen, Rasenstücke, Wespennester, die Landschaft um ein Atomkraftwerk:
handelt es sich bei den Zeichnungen von Klaus Mosettig wirklich um die
Darstellung von Natur, wie man vordergründig meinen könnte? Darstellung ja,
Natur nein, würde der Künstler die Frage wohl für sich beantworten, denn die
Natur dient Klaus Mosettig in gewisser Weise nur als Vorgabe. Indem er sich
der Gestaltung quasi verweigert, erreicht er in der „gestaltungslosen
Übernahme“ der Natur die gleiche Qualität wie das Abstrakte. Am Motiv
interessiert den Künstler nicht der Gegenstand per se, sondern vielmehr die
Systematiken und Strukturen, aber auch die Ästhetik, die den Dingen
innewohnt. Deswegen überlässt er die Gestaltung denn auch der Kuh oder der
Wespe, um beim Zeichnen selbst den umgekehrten Weg zu gehen, sprich die
Vorgaben von aussen umzusetzen. Zeichnen (im grossen Format) ist bei Klaus
Mosettig stets mit enormen körperlichem Einsatz und zeitlichem Aufwand
verknüpft. Zeichnen gerät für den Künstler zur Obsession und ist sein ganz
alltäglicher Wahnsinn. Nachdem früher auch kleine Formate entstanden sind,
arbeitet Mosettig seit einiger Zeit bevorzugt in Zeichnungsserien, die mit
Oversize-Formaten von bis zu zwei Metern aufwarten. Nebst den logistischen
Schwierigkeiten, die solche „Übergrössen“ mit sich bringen, liegt der Reiz
weniger in der monumentalen Wirkung, als vielmehr in dem Zeichenraum, den
sich der Künstler schafft und in den er sich auch körperlich begeben kann.
Mitten in der Fläche, im Bild selbst, verliert sich der Zeichner im Raum,
der ihn umgibt. Mittendrin im Blatt und in der Zeichnung, hinterlässt der
Künstler seine Spuren und spinnt zeichnend ein dichtes Netz von
Assoziationen.
Ariane Grabher