Ausstellung

Dezember 2004 - Jänner 2005 "AUTO" von Johanna Kirsch und Hans Scheirl



Zur diesjährigen Winterausstellung widmet sich das Kunstforum Montafon einem impulsiven Identitätstransfer. Die junge in Wien und Maastricht lebende Künstlerin Johanna Kirsch (1980) und der in London lebende österreichische Experimentalfilmer und Maler Hans Scheirl (1956) fahren jeweils mit einem Animationsfilm und einem Zeichnungs-Konvolut auf, das an Lebendigkeit und Bewegung nur so sprudelt. Der Titel „AUTO“ verspricht keine Autoschau der verchromten Superlative, sondern verwendet das charakteristische Fortbewegungsmittel des Individualverkehrs symbolisch, um von zwei unterschiedlichen Reisen zu erzählen, die beide Künstler unabhängig von einander unternommen haben. Die Blechkiste auf vier Rädern im Titel wird assoziativ in beiden Arbeitszugängen zum Reisevehikel des „Identitäts-Behältnis“ Mensch, der in ständiger Bewegung eine intime Landkarte abzustecken beginnt. Der autobiografische Zug beider Erzählstrukturen unterstützt diese Dynamik und rückt alltägliche Konflikte zwischen Selbstbestimmung und Außenwahrnehmung ins Zentrum der Betrachtung. Katalysator dieser Ausstellung ist eine direkte und unmittelbare Zeichensprache, wie wir sie vor allem aus der Comic- und Trickfilm-Kultur her kennen.


Der Titel „AUTO“ unterstreicht für Hans Scheirl die Diskussion des Autonomiebegriffs des Individuums in der Gesellschaft von heute. Mit der Fragestellung: „Wie definiert sich die Freiheit des individuellen Handelns und wo befinden sich seine sozial- und geschlechtsspezifisch verankerten Rollenzuschreibungen?“, beginnt Hans Scheirl einen autobiografischen Dialog zwischen seiner künstlerischen Innen- und Außenwelt. In Schruns zeigt Hans Scheirl, der national und international vor allem als Experimentalfilmer bekannt ist, erstmals im Raum installierte Material-Assemblagen aus Zeichnungen, Farben und Objekten. Inhaltlicher Impuls für die Ausstellung wird seine Reise zurück nach Österreich, die er mit seinen österreich-spezifischen Erinnerungen und Erfahrungen spickt und ganz spitzbübisch in seinen „punk-rock-igen“ Bilderwelten aufeinander treffen lässt. In diesem Sinne montiert er seine Zeichnungen auf Holzlatten, die frech an der Wand lehnen und mit ihrem manifesten Auftreten seinen Berg aus Pappmaschee und dessen fiktive Bewohner in der Mitte des Raumes sehr gewitzt umzingeln. Nicht ganz ohne Augenzwinkern begegnet hier der in Salzburg geborene Scheirl der heimischen Idylle, die manchen Orts mit dem Thema Geschlechterkampf zwischen Mann und Frau noch ganz schön hinterm Berg hält.

Bekannt wurde Hans Scheirl vor allem durch seinen Kinofilm „Dandy Dust“ (1998), dessen Protagonist ein „Transgender (dt. Zweigeschlechtlicher) Cyborgs“ ist, der durch die Zeiten zoomt, um im Widerstreit mit seiner/ihrer vom Stammbaum besessenen Familie sein/ihr "Selbst" sucht.

Während Hans Scheirl mit flottem Strich raumgreifende Installationen anwachsen lässt, gibt Johanna Kirsch noch einen Zahn zu und lässt den Zeichenstift im Bewegtbild rotieren. Ihr neu entstandener Animationsfilm „Me, the Big Bad Wolf and the Radical Sense of Freedom“ ist ein Road Movie Experiment mit der Erzählstruktur eines modernen Märchens. Eine Reise in ihrem gelben VW Bus im Sommer 2003 durch Frankreich und Spanien, wird zum Ausgangspunkt einer sehr persönlichen Suche nach sich selbst. In Echtzeitbildern und Animationen kristallisiert sich die Fahrt zu einem bizarren Erlebnisbericht, der mit  überkommenen Lebensvorstellungen und Rollenklischees abrechnet und gekonnt die Beziehungskiste zwischen Mann und Frau zum längst überfällig gewordenen Ölwechsel schickt. Die Reise erhält ihren Höhepunkt in ihrem neu gefundenen Begleiter, dem Wolf, der schon, wie der Titel besagt, eine Überschreitung der eigenen Grenzen herausfordert und das Verlangen nach Freiheit in seinen vorgegebenen geschlechtlichen und gesellschaftlichen Parametern untersucht:“…nachdem der Wolf mich doch nicht fressen wollte, entschieden wir uns die Reisen gemeinsam im gelben VW Bus fortzusetzen, um nach dem radikalen Sinn von Freiheit zu suchen, der doch irgendwo am Horizont zu finden sein muss“(frei übersetztes Zitat aus dem Film von Johanna Kirsch).  

Karin Pernegger

Johanna Kirsch
geb. 1980 Salzburg, lebt und arbeitet in Wien und Maastricht/ NL. Studium an der Akademie der bildenden Künste Wien, 2002 Diplom , 2002/3 Kunsthochschule Berlin-Weißensee, Berlin und seit 2004 Post-Academic Institute for Researches and Production, fine art, Maastricht, NL

Projekte (Auswahl ab 2002)

2001/02  Organisation und Programm des Performanceraumes „Salon Lady Chutney”, Burggasse, Wien. 2004 “no risk no glory“, kuratiert mit Katrin Plavcak, heeresbäckerei+loop-raum für aktuelle Kunst, Berlin.

Videos/ Animationsfilme (Auswahl ab 2002)
2004   “Me, the big bad wolf and the radical sense of freedom”, Video-Doku-Märchen
2003 “Jewel Osco Rap”, Musikclip, Performance zus. mit Katrin Plavcak
2002   „moving desire”, Videoanimation, Installation

Gruppenausstellungen (Auswahl ab 2002)
2004 Künstlerhaus, Wien; MUMOK, Wien; General Store, Joshua Tree, USA.
2003  N. Milwaukee, Chicago IL, USA; Ealing, West London, GB; Galerie Lisi Hämmerle, Bregenz; Galerie >dreizehn/zwei<, Wien.
2002 Videofestival, Zürich, CH; Galerie im Traklhaus, Faistauerpreis Nominierungen, Salzburg; Maknite, MAK, Wien.


Hans Scheirl

geb. 1956 in Salzburg (A), lebt seit 1979 als freischaffender Filmemacher, Performer und Künstler in London (GB). 1980 Abschluss des Studiums Konservierung und Technologie an der Akademie der Bildenden Künste, Wien (A), 1985–86 Video-Training in der Medienwerkstatt Wien, seit 1995 Auseinandersetzung mit der Malerei und 2001-2003 Kunststudium (M.A. Fine Art) am Central Saint Martins College of Art&Design, London (GB).  Seine Super-8 und Kinofilme (u. a. »Rote Ohren fetzen durch Asche« 1992, »Dandy Dust« 1998) werden im Kino, in Museen und bei Festivals gezeigt. Hans Scheirl ist Teil einer »transgendered« Gruppe neuer Männer in London, die sich selbst Cyborg nennen und an Transformation interessiert sind. Andere Mitglieder sind Del LaGrace Volcano und Svar Simpson. (Quelle: [Cyborg.Nets/z] Katalog zu Dandy Dust, hg. von Andrea B. Braidt, Wien 1999.)

Gruppenausstellungen (Auswahl ab 2002)

2004 Transission Gallery London (Einzelausst.); 291 Gallery, London; MUMOK, Wien; Kunsthalle Exnergasse Wien.
2003 New British Painting, John Hansard Gallery, Southampton; Space 44, London.
2002 Galerie Julius Hummel Wien