Ausstellung

Vom Jagen und Sammeln



13. Juni - 2. August 2014
Julia Brodauf, G.R.A.M., Sabina Mlejnek, Trevor Paglen, Georg Salner, Deborah Sengl, Nives Widauer


Abbildungen: 

  • Deborah Sengl, "Die Löwin - als Räuber - ertarnt sich ihre begehrte Beute", 2009, Präparat, lebensgroß, Foto: Galerie Deschler, Berlin.
  • Sabina Mlejnek,  "Aktaion"  ca65x95cm, 2012, Mischtechnik auf Papier, 
  • Nives Widauer, aus der Serie „minor catastrophies“, Stickbild, 2008
  • Trevor Paglen, „Large Hangars and Fuel Storage; Tonopah Test Range, NV; Distance approximately 18 miles; 10:44 am“ 2005, C-Print, 76,2 x 91,4 cm ; Courtesy Galerie Thomas Zander, Köln
  • Julia Brodauf, "painter man", from: pictures from life's other side, Vinylradierungen, 30 x 30 cm, 2012
  •  Georg Salner,  "E/O/S", Ausstellungsansicht Galerie Strickner, 2009
  •  G.R.A.M.,Paparazzi (Dennis Hopper) 1997/2010, C-Print  auf Alu Dibond,  Acrylglas 4mm,  200 x 300 cm, Courtesy Galerie Christine König, Wien

FACTBOX:

Eröffnung: Freitag, den 13. Juni 2014 um 19 Uhr.  Zur Ausstellung spricht: Ulrike Shepherd, Kuratorin am artsprogram der Zeppelin Universität, Friedrichshafen. 

Mittwoch, 25. Juni :  14 – 16:30 Uhr: „kunstKINDERkunst“ workshop für Kinder mit Helene und Franz Rüdisser

Samstag 5. Juli, 18 Uhr: Ausstellungsgespräch mit Roland Haas

Donnerstag, 10. Juli, 20 Uhr: „Vorarlberg oder so – Was soll das neue vorarlberg museum im 21. Jahrhundert sammeln?“ Vortrag von Dir. Dr. Andreas Rudigier

Mittwoch, 16. Juli, 20 Uhr: "The Real Book Collection"  Jazzkonzert mit Claus Rückbeil & Jeff Wohlgenannt

Öffnungszeiten: Di – Sa 16 – 18 Uhr, Donnerstag 16 – 20 Uhr. Bis 2. August 2014.

 

Thematische Gruppenausstellungen haben im KFM Tradition, zuletzt im Sommer 2013 Vom Weggehen und (nicht) Wiederkommen Praktisch alle Gruppenausstellungen hatten einen direkten thematischen Bezug zur Region

 Wie schon in den Jahren 2004, 2006, 2009 und 2013 ist die Sommerausstellung 2014 im KFM eine Kooperation mit den Montafoner Museen, die im Rahmen des Leader-Projektes „Kulturerbe Montafon“ eine nachhaltige Sammelstrategie für alle Museen der Talschaft entwickeln.

Ein weiterer Kooperationspartner ist die „artenne nenziNg“, die unter dem Titel „Walgau sammeln“ das im Walgau stark vertretene Phänomen der privaten Sammlung thematisiert und Einblicke in private Sammlungen der Region bietet. Die Sammlungen und Portraits der SammlerInnen sind ausgewählte Beispiele und zeigen die Vielfalt der Sammlungsbestände. Bisher wurden 15. Kleinmuseen und Sammlungen fotografisch dokumentiert, sowie Interviews mit zehn SammlerInnen durchgeführt.

 Die Ausstellung im KUNSTFORUM MONTAFON erweitert  das Thema „Sammlung/Sammeln“, das gerade durch die öffentlich breit geführte Diskussion über die Gurlitt-Sammlung eine besondere Aktualität erhält, um das des Jagens und betrachtet diesen Themenkomplex aus der Sicht von zeitgenössischen bildenden Künstlerinnen und Künstlern:

Die Berliner Künstlerin Julia Brodauf beschäftigt sich mit der klassischen Schallplattensammlung, indem sie die Vinylplatten wie Radierungen bearbeitet und druckt: "I know you're an artist - draw a picture of me" - mit dieser Zeile aus einem Song von Bob Dylan fasst Julia Brodauf in der fortlaufenden Serie "pictures from life's other side" das Drama von Kunst und Zeichnung knapp zusammen. Ihre Vinylradierungen, die sie direkt von bearbeiteten Langspielplatten druckt, porträtieren die Kollegen aus der Musikszene, die ihrerseits sich der Kunst und der Künstler annehmen. Einzelne Sätze und Strophen aus Songs und Liedern stehen für das stete Nebeneinander und Gegenüber von Künstlern und Musikern und das ihnen gemeinsame, ständige Ringen um künstlerische Arbeit. Die Linie, als dichte Spirale jeder Schallplatte eingeschrieben, entleiht die Künstlerin direkt dem Objekt, das sich in der Druckpresse selbst mitteilt. Die Schrift, wackelig belassen, erzählt ungefiltert vom Kampf der Radiernadel gegen den sperrigen Untergrund und steht für das romantische Bild des Songschreibers, der die Zeilen seiner Lieder beiläufig und handschriftlich niedergelegt haben mag

Die Grazer Künstlergruppe G.R.A.M. (Günther Holler-Schuster und Martin Behr) thematisieren das Phänomen „Paparazzi“ als moderne Jagd und liefert damit einen eigenständigen Beitrag zum medial beschworenen „Ende der Privatheit“. Durch die Vermischung von selbst aufgenommenen Bildern realer Stars und Berühmtheiten mit Fotografien Unbekannter werden gängige Mechanismen der Wirklichkeitskonstruktion empfindlich gestört. Die an Orten wie Hollywood, New York, Cannes, Nizza, Monte Carlo, London, Wien, Berlin oder Graz “geschossenen” Bilder simulieren Realitäten, die nur in den Köpfen der BetrachterInnen existieren. Die verinnerlichten Codes der Massenmedien erleichtern das Einschwenken auf falsche Fährten, in Grauzonen zwischen Sein und Schein. Das Spiel mit (vorgeblichen) Sensationen, mit Voyeurismus, Täuschung und Mediengesetzen erlebt in den Aufnahmen von an sich langweiligen Alltagsszenen aus der unmittelbaren Nachbarschaft eine dramatische Umdeutung: Das Gewöhnliche wird über die Paparazzi-Ästhetik mit Geheimnissen aufgeladen. Aus „fact“ wird „fiction“. G.R.A.M. wird in Vorarlberg vertreten durch die Galerie Lisi Hämmerle, Bregenz.

 Der amerikanische Künstler und promovierte Geograf Trevor Paglen jagt die Jäger: er widmet sich hochbrisanten aktuellen Themen und erregt damit große Aufmerksamkeit in den Medien. Der promovierte Geograf mit Lehrtätigkeit an der University of California in Berkeley ergründet Phänomene, die strengster Geheimhaltung unterliegen und deren Existenz der Öffentlichkeit verborgen bleiben soll. Erst durch technisch experimentelle und langwierige Recherchen gelingt es Paglen aufzudecken, was von höchsten Stellen unter Verschluss gehalten wird. Seine Beobachtungen und Erkenntnisse verarbeitet der Künstler in Büchern und Kunstwerken. Seine Fotografien geheimer Militäranlagen im US-amerikanischen Westen bedienen sich astronomischer Instrumente. Diese Landschaftsaufnahmen zeigen Orte, die offiziell oft nicht einmal existieren. Der Großteil der abgebildeten Anlagen ist buchstäblich für das bloße Auge unsichtbar, da sie sich meilenweit entfernt inmitten abgesperrten Militärgeländes befinden. Um Bilder dieser versteckten Orte zu machen, setzt Paglen vor seine Kameras leistungsstarke astronomische Präzisionsteleskope mit Brennweiten bis zu 7000 mm. Dutzende Meilen von trübem Dunst und Hitze allerdings, die auf den Fotografien abgebildet sind, markieren die physikalischen und epistemologischen Grenzen des Sehens.

 Georg Salner wird speziell für das KFM seine Sammlung E/O/S neu definieren. Als „gegenwartsarchäologisches“ Projekt dominiert es seit langem die Ateliersituation und ufert unter verschiedenen Bezeichnungen und in verschiedenen Zuständen auf Ablageflächen im Atelier aus. Das sich selbst generierende System aus künstlichen Funddingen hat seine Anfänge im engeren Sinn zu Beginn der 1990er-Jahre. Die stehenden und liegenden Gegenstände sind von großer formaler und materieller Diversität. Sie stammen aus unterschiedlichsten industriellen Produktions- und merkantilen Verwendungsbereichen und sind zu Objektkombinationen, die erst die Entfunktionalisierung ermöglicht und oft statischen Experimenten gleichkommen, weitergestaltet. Oder sie sind durch diverse Veränderungen der Oberflächen, vor allem aber durch den Kontext verfremdet. Dergestalt bilden sie eine Nähe unentwirrbarer Zwischenräume. Mehr als durch ihre verwandten Dimensionen mit der Tendenz zur Miniaturisierung wird das Große/Ganze durch eine spezifische Farbigkeit als Einheit zusammengehalten, denn die Fundformen sind gleichzeitig „Reflektoren“ von Fundfarben. Die Sammlung weist sich dadurch auch als die eines Malers aus, der sich hier ein Surrogat für herkömmliche Formen von Malerei geschaffen hat.

 Sabina Mlejnek thematisiert in ihren Malereien die klassische Jagd: „Sabina Mlejnek hat als einzige der Künstler den Jagdschein gemacht. Die Ausbildung erlebte sie als spannend, „schießen ist wie eine Zen-Übung“, sagt sie. „Außerdem war ich überrascht, wie viel man über Wald, Tiere, Ökologie lernt. Es ist eine völlig andere Welt, über die ich sicher Vorurteile hatte – dass es nur ums Abknallen von Tieren und ein riesiges Besäufnis geht.“ Geschossen hat Mlejnek allerdings noch nie ein Tier, „das kann ich nicht“. (Almuth Spiegler, 2012)

Deborah Sengls „Er-Tarnungen“ thematisieren das Verhältnis von Jäger und Gejagtem, Täter und Opfer: Der Einsatz von paradoxen, skurrilen, auch humorvollen  Kombinationen in der Material- und Bedeutungsebene, gepaart mit einer großen handwerklichen Präzision haben mich auch deshalb so überzeugt, weil ihren Arbeiten, scheinbar ganz nebenbei, immer auch eine inhaltliche Tiefe innewohnt. Meist sind es zutiefst menschliche Schwächen und Handlungsweisen, die in ihren Werken eine Bild- oder Objektform bekommen, man denke nur an den Wolf im Schafspelz, eine ihrer älteren Arbeiten von 2003, oder an den „Zebralöwen“, der in der Sammlung Essl eine der wesentlichsten Positionen junger österreichischer Skulptur repräsentiert. Das zumindest auf den ersten Blick leicht zu lesende in der Kunst Deborah Sengls, der Überraschungseffekt, der sich einstellt, wenn man sich ihre Werke anschaut, spricht viele an. Allerdings werden Sengls Werke gerade deswegen manchmal als zu eindimensional oder zu einfach zu lesen gewertet. Als wenn sich die zeitgenössische Kunst nur durch bedeutungsschwere Verschlüsselungssysteme Legitimation verschaffen könnte. Weit gefehlt, denn gerade im Werk dieser Künstlerin werden grundlegende Fragestellungen der menschlichen Existenz, man könnte fast sagen in einer eher angelsächsischen, ganz unösterreichischen Weise verhandelt. Was mancherorts zum Glück als große Leistung anerkannt wird, dass Künstler in der Lage sind uns durchaus auf unterhaltsame Weise (wie schwer man sich im deutschsprachigen Raum damit tut) zu überraschen und gerade dadurch zum weiterdenken motivieren können, damit tut man sich hierzulande manchmal noch schwer. Deborah Sengls Werk löst das aber meiner Ansicht nach auf wunderbare Weise ein. (Andreas Hoffer, aus dem Katalog “His-Story”, 2011)

Nives Widauers „minor catastrophies“, die bereits in einem ähnlichen Kontext (Heb mich auf!) im Kunstverein Wolfsburg zusehen waren, zeugen von einer anderen Art des Sammelns:Kleinere Katastrophen gehören zum Alltag, zum Medien-, Gesprächs- und Bildalltag. Kommen sie verkleidet als Stickbilder daher, entfalten sowohl die biederen Settings dieses aussterbenden Hobbys als auch die Katastrophen eine ganz eigene Wirkung. Die wie Suchbilder konzipierten und durch unvorhergesehene Figuren, Szenen, Details umgewerteten „Minor Catastrophies“ entspringen einem Spiel mit Assoziationen und bedienen dieses gleichermaßen: „An den Rändern der Wahrnehmung spazieren gehen und überprüfen, ob alles so ist, wie es ist.“ (Nives Widauer)

In der kleinen Blackbox des Kunstforums wird außerdem Widauers Videoarbeit "Global Globes" gezeigt, in dem insgesamt 290 Globen eine wesentliche Rolle spielen...