Kunstvermittlung

Die Kunstvermittlung im Kunstforum Montafon (KFM) teilt sich vorwiegend in zwei Bereiche:

1. Ausstellungsgespräche:

mindestens ein Mal pro Ausstellung lädt das KFM zu einem gesonderten Termin zum vermittelnden Gespräch, bei dem die/der Kurator/in in die aktuelle Ausstellung einführt und anschließend zum Dialog mit den Besuchern zu Verfügung steht.

2. Kunstpädagogische Arbeit mit Kindern aus verschiedenen Schulen in Vorarlberg

kunstKINDERkunst mit Helene und Franz Rüdisser

Seit 2001 macht das KFM bei Ausstellungen zeitgemäßer Kunst ein besonderes Angebot: Kinder aller Altersgruppen erarbeiten sich unter Anleitung einen Zugang zu neuen Kunstrichtungen.

Mit mehreren Schulen – Volksschulen, Hauptschulen, Polytechnische Schule – und engagierten Lehrkräften hat sich eine intensive Zusammenarbeit entwickelt.
In Gruppen und auf sehr verschiedenen Wegen nähern sich die Kinder und Jugendlichen – von sechsjährigen Erstklässlern bis zum 15jährigen Poly-Schüler – den unterschiedlichsten Künstlern und Kunstwerken, setzen sich damit auseinander und lassen sich damit auch zu eigenem kreativem Tun anregen.


Wichtige Ziele sind:

- Schwellenangst und SCHEU vor Kunst ABBAUEN
- INTERESSE UND NEUGIER auch für „schwierige Kunst“ wecken
- Kunst ER-LEBEN lassen
- SEHEN LERNEN und sich Zeit für einen DIALOG mit dem Kunstwerk
- nehmen
- sich von  Kunst ANSPRECHEN lassen und DARÜBER SPRECHEN können
- aber auch RUHE, STILLE UND KONZENTRATION erfahren und genießen
- OFFENHEIT UND TOLERANZ fördern
- PERSPEKTIVE WECHSELN und Dinge des Alltags NEU ENTDECKEN
- INTERAKTION: selbst aktiv und kreativ werden


Jeder Ausstellungsbesuch, der immer auch ein workshop ist, bei dem die Schüler selbst kreativ werden, wird dokumentiert und bei Klassenbesuchen nochmals reflektiert.
Viele Lehrpersonen nehmen die Anregungen und Ideen der Künstler auf und lassen diese in ihre bildnerische Arbeit mit den Kindern einfließen. Immer wieder erfahren wir, wie interessiert gerade Kunstschaffende an diesen Rückmeldungen der jüngsten Ausstellungsbesucher sind. Ziel ist es auch einen Kontakt zwischen ausstellenden KünstlerInnen und den Kindern herzustellen.

Positive Rückmeldungen kommen nicht nur von den Lehrpersonen, sondern auch von Eltern. Schulen haben wiederholt Berichte über diese Arbeit in die Presse gebracht.

Pablo Picasso soll einmal gesagt haben, er habe dreißig Jahre gebraucht, bis er wieder zeichnen und malen konnte, wie er es als Kind tat. Wahrscheinlich braucht es auch eine sehr lange Zeit, bis man manche Bilder wieder wie die Kinder sehen kann. Erleben kann, wie sie mit uns sprechen.

 

Durch die Kunstvermittlung  verschiedenster Künstlerinnen und Künstler werden die Kinder ermuntert, ihre eigenen kreativen Fähigkeiten zu ergründen und zu ihrem Vorteil zu nützen, ganz egal was sie später einmal werden wollen...

 

 

von Franz Rüdisser

Winterausstellung im Kunstforum Montafon

Zenita Komad und Christian Eisenberger hatte das KFM zu seiner Winterausstellung nach Schruns eingeladen. Beide stehen für eine junge, aber bereits renommierte österreichische Kunst. Beide vertreten unterschiedliche Positionen. Dass es in der Ausstellung nicht nur zu einer spannenden Gegenüberstellung, sondern zu einem überraschenden Miteinander kam, dafür sorgte die deutsche Kuratorin Oona Lochner mit einem klugen Konzept.

Die drei boten am Eröffnungstag Gelegenheit zum Austausch über zeitgenössische Kunst. Sicher das längste, wahrscheinlich auch intensivste Gespräch führten sie mit mehr als dreißig Kindern im Alter von sieben bis neun Jahren.

Ein Ölteppich in der Lodenfabrik

Christian Eisenberger hatte in der Lodenfabrik einen mehrere Quadratmeter großen <Ölteppich> aus Tannenzapfen ausgelegt. „Christian, wie viel Zeit hat das gebraucht alles aufzulegen.“„Zu dritt haben wir drei Stunden gebraucht.“  „Woher hast du so viele Tannenzapfen?“ „Die sammelt man im Wald. Dazu braucht man ein paar Tage.“ „Wie viele Zapfen sind das?“ „Ich glaube etwa 2700.“ „Wo hast du gesammelt?“ „In der Steiermark.“ „Dia hettscht z Schruns o gfonda!

Gott in der Jeansjacke

Für Zenita Komad sind ihre Bilder „Lebewesen, die Bedürfnisse haben. Sie dürfen sich verändern und verwandeln“, sagt sie.  Deshalb fügt sie – oft nach Jahren – Worte, Farbe, Bedeutungen hinzu, bekleidet und verkleidet. (Erinnert an die oft prachtvoll gewandeten Marienstatuen in Wallfahrtskirchen.) „Zenita, warum steckt dieses Bild in einer Jacke?“ „Ich habe das Bild vor ein paar Jahren gemacht. Und irgendwann ist mir eingefallen, dass es eigentlich nicht in Ordnung ist, wenn Bilder irgendwann fertig sind. Auch ein Kunstwerk muss sich entwickeln dürfen! Meine Bilder haben Bedürfnisse. Deshalb habe ich Jahre später dieses Bild wieder genommen und habe ihm eine Jeans-Jacke angezogen. Es heißt jetzt: LIEBER GOTT MIT JEANSJACKE.“„Ist es jetzt fertig?“ „Es könnte sein, wenn ihr dieses Bild in ein paar Jahren wieder seht, dass es dann ganz anders ausschaut, weil dem lieben Gott eingefallen ist, dass er gern noch eine Hose dazu hätte.“  „Dann musst du aber das Bild höher hängen, damit die Hose Platz hat.“

 

Kinder denken nicht nur praktisch, sie philosophieren auch über existenzielle Fragen, die die Kunstwerke aufwerfen. Zum Bild <Nabel der Welt> von Komad fragen sich die Kinder bei einem zweiten Ausstellungsbesuch, mit wem sich die Künstlerin wohl verbunden hat. Und mit wem sie selbst verbunden sind?

Fragende Antworten: Mit dem Licht? Ist Licht Nahrung? Mit dem Universum? Mit dem Himmel? Mit der Kunst? Miteinander……

Keine künstlerische Provinz

Kinder haben keine Berührungsängste. Bei den Erwachsenen ist das nicht so sicher. Es ist immer wieder erstaunlich, welch interessante Künstlerpersönlichkeiten und ihre Werke durch das Kunstforum in das Montafon gebracht werden. Gäste, die hier urlauben, stellen das oftmals verwundert fest. Die Vernissage  und diese Exposition hätten sich noch mehr Aufmerksamkeit von Einheimischen verdient . „Bilder haben Bedürfnisse“, sagt Komad. Sie möchten gesehen werden, möchten, dass man sich mit ihnen befasst. Und davon profitiert.

Große Beachtung fand die Winterausstellung bei Kulturschaffenden aus ganz Vorarlberg. Etwa vierzig Personen waren auf Einladung von Landesstatthalter Wallner zum  Kulturtreff  ins KFM nach Schruns gekommen.

„Der will anders als alle anderen sein“

Zurück zu den jüngsten Ausstellungsbesuchern. Für die Kinder aus den Montafoner Volksschulen werden die Bilder und Objekte der Ausstellung zur Anregung, Impulse für eigenes kreatives Arbeiten. Ganz selten aber muss vor Nachahmung gewarnt werden. Ein großformatiges Foto hat bei allen lebhafte Diskussionen ausgelöst. Man sieht darauf Christian Eisenberger inmitten einer Eisfläche brusttief in einer sternförmigen Aussparung im Wasser stehend.

„Warum bist du da nackig, Christian?“ „Weil alle anderen angezogen sind.“ „Hast du den Stern dazu gemalt?“ „Nein, den habe ich aus dem Eis gehackt.“ „Du allein?“  „Ja, ich allein.“ Wer hat sich das ausgedacht?“ „Das war ich.“  „Wie lange bist du da drinnen gestanden?“  „Fünf Minuten!“ „Warum hast du nicht etwas anderes gemacht?“ „Ein Stern ist doch super. Was hättest denn du gemacht?“ „Ich hätte einen Hai gemacht.“

Nachgestellt wird das Bild mit allen Kindern im Trockenen und Warmen!

 

 

Was geschieht, wenn man mit zwei großen Holzkeulen aus dem Kunstforum durch Schruns spaziert?

Der Christian Eisenberger hat für die Ausstellung ein paar riesige Keulen geschnitzt. Wofür die sind, das hat er nicht verraten. Die Höhlenmenschen hätten die gut gebrauchen können, sagt ein Bub aus der 2B-Klasse. Andere Kinder würden sie umarbeiten: Aushöhlen und einen Brunnen oder einen Blumentopf daraus machen. Als Riesenbirnen an einen Baum hängen oder als Boxsack benützen. Als Sockel für ein Windrad könnten sie taugen. Räder montieren und darauf fahren. Die wären aber auch gutes Brennholz, stellt ein praktisch denkendes Mädchen fest.

Was würden die Leute sagen, wenn man mit diesen gefährlich aussehenden Trümmern durch die Dorfgasse, über den Kirchplatz marschiert? Ausprobieren! Da alle Keulenträger sein möchten, werden ein Bub und ein Mädchen ausgelost. Jedes schultert eine Keule und dann machen sie sich auf den Weg. Die anderen folgen als Beobachter.

Natürlich fallen die Aktionisten auf. Was das sei? Wer das gemacht habe? Woher sie kämen? Wohin sie gehen? Was sie vorhätten? Viel Gelegenheit von der Ausstellung und vom Kunstforum zu erzählen.

Am Ende der Dorfgasse kommt den beiden kleinen Keulenträgern der Gemeindepolizist entgegen. Die Spannung steigt stark. Was wird er sagen? Was wird er tun?

Und er sagt tatsächlich etwas! Er sagt: „Moll moll!“

Franz Rüdisser

 

 

Kinder in der Kunstforum Montafon -Sommer-Ausstellung:

„Unsere Natur liegt in der Bewegung. Völllige Ruhe ist der Tod“

 

Zuerst zeichnet jedes Kind sein Traumziel auf. Dann wird ein spezieller Papierflieger gebastelt. Die Fantasiereise kann beginnen.

 

Diesmal sind es wieder einmal recht junge Kinder, die unsere Ausstellung im KFM „Unsere Natur liegt in der Bewegung“ besuchen. Die Zweitklässler aus der Volksschule und – erstmals – eine Kindergarten-Gruppe. Die vom Kindergarten „Auf der Litz“.

 

Für die Video-Arbeit von Josh Müller wurde eine verdunkelte Kabine geschaffen. Motorengeräusch. Gespannt schaut man aus dem „Fenster“, wartet auf das Abheben. Das Video zeigt schemenhaft einen Flughafen.Die einen sind enttäuscht, als klar wird, dass der Flieger nicht abhebt, dass das da draußen nur Modellflugzeuge waren. Ein anderes sagt: „Des ischt an guata Schmäh vo dem Künschtler gsi!“

 

Kein Problem wenn das Flugzeug nicht startet. Kinder können auch mit dem Wind reisen. Tanzend sich davon tragen lassen. Die Arbeit von Alfred Graf lädt dazu ein. Sie landen an verschiedenen Orten. Suchen sich dort aus den Reise-Fotografien von Bruce Chatwin eine Postkarte aus. „Liebe Mama, mir geht es gut. Ich gehe jetzt schwimmen.“

 

Ines Lombardi nimmt die Kinder ein Stück auf dem Fluss mit, auf der Donau. Ihre großformatigen Fotos strahlen Ruhe aus. Loben die Langsamkeit.

 

Behutsam ist auch die Annäherung an das größte Objekt im Raum, die Installation von Michael Höpfner. Was ist es? Ein Zelt oder ein Iglu für die meisten. Für andere ein Eisberg, ein Wolkenfeld, eine Auster mit Perle, ein Ei, aus dem gleich etwas Lebendiges schlüpfen wird.

 

Wenn man ganz leise ist und sehr aufmerksam, erlebt man, dass das Objekt nicht starr ist. Dass es sich bewegt, mitgeht, wenn man es umkreist. „Es atmet ja“, sagt ein Kind, das im Innern sitzt. Und wenn man ganz ruhig ist, die Augen schließt, warten kann, ist es möglich, dass das Zelt spricht. „Am Schönsten in der ganzen Ausstellung waren die Geschichten, die uns das Zelt erzählt hat“, sagt Adela.

 

Kinder in einer Ausstellung zeitgenössischer Kunst ? Kann das mehr sein als nette Beschäftigung, bestenfalls lustige Unterhaltung? „In unserer bewegten Zeit ist die Flexibilität des Menschen sehr gefragt. Fantasie und Kreativität sind somit lustvolle Lebenshilfen und werden immer Bedeutung haben“, schreibt die Kindergartenpädagogin Isolde Adamek in ihrem im Frühjahr 2007 erschienen Buch „Freies schöpferisches Gestalten“ (K2-Verlag).

 

Begegnung mit Kunst und Künstlern kann diesen Weg zur eigenen Kreativität, zum Verlangen „eine eigene Spur zu ziehen“ (Adamek) ungemein fördern. W. Zügel schreibt im neuesten Baden-Württembergischen Kulturkalender: „Die bildende Kunst regt alle unsere Sinne an. Sie lehrt uns Sehen, das genaue Hinschauen. Sie aktiviert unsere Fantasie, sie weckt unsere Emotion, sie macht Freude und sie provoziert.“

 

Nicht zu vergessen, Kinder begegnen in den Ausstellungen den Werken von Kolleginnen und Kollegen. Sagt doch Pablo Picasso: „Als Kind ist jeder ein Künstler. Die Schwierigkeit liegt darin, als Erwachsener einer zu bleiben.“

 

Helene Rüdisser - Franz Rüdisser